„Du bist meine Allerbeste“, sagte ich vorhin zu meinem Rübenmädchen kurz vor dem Schlafengehen und nahm sie sehr fest in den Arm. Ich dachte an eine heutige Szene, bei der ich sie voller Stolz beobachtet habe. „Und mein Kartoffelmädchen ist auch meine Allerbeste“, fügte ich innerlich hinzu. Aber meine Inutuition hielt mich davon ab, es laut auszusprechen.
Später dann, nachdem beide Mädchen schliefen, fragte ich mich, ob ich diesen Superlativ-Satz in eine Richtung laut aussprechen darf ohne zu bevorzugen.
Dass es nicht förderlich ist, Geschwister gleich zu erziehen habe ich bereits oft gelesen. Das Wissen erleichtert mich, ich empfinde es sonst sowieso nicht als praktikabel. Das Rübenmädchen zum Beispiel ist ungewöhnlich offen für Rollenspiele und Geschichten, mit denen ich immer wieder Themen platzieren kann. Das Kartoffelmädchen, natürlich noch sehr jung, braucht dafür deutlich mehr Nähe und Körperkontakt. In bestimmten Dingen macht es mir das jüngere Kind einfacher Zuwendung zu geben. Bei anderen Emotionen kann ich mich wunderbar mit der Älteren identifizieren.
Eltern-Kind-Beziehungen sind dynamisch

Es gibt Phasen, in denen fühle ich mich dem einen Mädchen näher als dem anderen. An guten Tagen bin ich gelassen und denke, wir werden noch so viele Entwicklungen gemeinsam erleben. Bis sie groß sind hat sich das bestimmt ausgeglichen. An anderen Tagen zermürbt es mich, macht mich stutzig und auch ein wenig traurig. Weil ich sie so gerne jeden Tag, jede Stunde gleich anschauen, anlächeln und eine exakt gleiche Menge an Aufmerksamkeit geben möchte.
Wer kennt nicht das schlechte Gewissen, wenn das eine Kind mal ein wenig mehr Beachtung bekommen hat. Und doch, je länger ich diesen Mama-Job mache, desto mehr verstehe ich, dass die Beziehung zu unseren Kindern außerordentlich intensiv ist. Aber die Beziehung selbst ist individuell wie die Kinder selbst. Es prallen, meiner Meinung nach, auch zwischen Eltern und Kindern genauso Persönlichkeiten aufeinander wie in anderen zwischenmenschlichen Bereichen. Es ist und bleibt lebendig und nicht statisch.
Nur einseitige Beziehungsarbeit
Der entscheidende Unterschied ist, dass in dem speziellen Fall nur die Eltern an der Beziehung arbeiten können. Es kann nur eine One-Way-Woman-Show geben. Denn es ist nicht die Aufgabe des Kindes beizusteuern, was im Getriebe gerade fehlt. Es wäre gnadenlose Überforderung. Im Prinzip ist es doch so: Entgleiten Beziehungen, ist das Gefüge irgendwie defekt oder ein Durchkommen behindert fordert es mich als Mama heraus. Ich glaube, stimmt etwas an unserer Verbundenheit nicht, ist auch die Selbstachtung des Kindes gerade angekratzt. Und wenn der Selbstbezug aus dem Gleichgewicht ist, schlägt der eine um sich, der andere stellt sich stur. So ist es doch immer. Unsere Handlungen bilden Emotionen ab. Und kleine Kinder tun dies so unendlich mehr. Natürlich lassen mich derartige Taten aus der Fassung bringen. So sortiert bin ich nicht immer. Schon gar nicht in entscheidenden Momenten.
Und dennoch: Für mich ist es authentisch, dem Rübenmädchen zu verbalisieren, sie sei die Allerbeste. Denn diese Grundaussage beinhaltet meinen Stolz und mein Grundvertrauen in sie. Füge ich hinzu, dass die Schwester für mich auch die Allerbeste ist, nehme ich den Zauber im nächsten Augenblick. Es könnte sich wie Gleichmacherei anfühlen und das ist nicht meine Intention. Ich habe beschlossen, hier darf einer mal alleinig die Allerbeste sein ohne zu bevorzugen.
Sondern als Einzahlung in eine einzigartige Beziehung.